Eschenried, März 2022
Der Kalterbach durchfließt in den Landkreisen Dachau und München die Gemeindegebiete Hebertshausen, Karlsfeld und Oberschleißheim sowie die Stadtgebiete von München und Dachau. Dieser interkommunale Bach mit über 11km Länge ist nicht nur das wichtigste Moosgewässer sondern auch ein Hotspot der Artenvielfalt in einem europäischen FFH-Schutzgebiet.
Als interkommunaler Verein und NATURA 2000-Partner des bayerischen Umweltministeriums sieht sich der Verein Dachauer Moos in der Verantwortung, diesen bedeutsamen Lebensraumkomplex und seine Artenvielfalt langfristig zu sichern und zu entwickeln. Deshalb wurde auf unserer Mitgliederversammlung beschlossen, einen Antrag für ein Modellprojekt mit 5 Jahren Laufzeit an den Bayerischen Naturschutzfonds zu stellen.
Der ehemals in vielen Windungen und Verästelungen durch das offene Dachauer Moos ziehende Kalterbach wurde um 1916 durch den Einsatz französischer Kriegsgefangener reguliert. Die Bäche wurden teils um mehrere Meter abgesenkt. Dadurch sackte auch der Grundwasserstand ab.
Der Kalterbach in den 1970er Jahren nahe dem NSG Schwarzhölzl. Zu dieser Zeit war der Wasserstand noch deutlich höher als heute (Foto: Archiv Armin Zach).
Die vom Aussterben bedrohte Libellenart Helm-Azurjungfer und der stark gefährdete Kleine Blaupfeil weisen im Dachauer Moos eines ihrer größten Vorkommen in Deutschland auf. Der Kalterbach ist ihr Hauptlebensraum. Auch weitere stark gefährdete Libellen- und Fischarten, wie der „Schneider“ oder das „Gefärbte Laichkraut“, von welchem 25% der bayerischen Vorkommen im Dachauer Moos liegen, haben im Kalterbach ihre letzten Rückzugsorte gefunden. Im bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) wird der überwiegende Teil des Kalterbaches aufgrund der hohen Artenschutzfunktion als „landesweit bedeutsam“ eingestuft.
Der begradigte Kalterbach hat heute kaum noch Platz, um sich zu entwickeln.
Von den notwendigen Artenhilfs- und Gewässerrenaturierungsmaßnahmen, die für den Erhalt und die Entwicklung der Artenvielfalt erforderlich und in naturschutzfachlichen sowie wasserwirtschaftlichen Plänen beschrieben sind, wurde bislang nur ein geringer Teil umgesetzt.
Im Rahmen des geplanten Projektes soll
- der "gute ökologische Zustand" des Kalterbaches im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wieder hergestellt,
- der Kalterbach als Lebensraum für vom Aussterben bedrohte und stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten optimiert
- und ein Biotopverbund entlang des Kalterbaches mit Verbindung zur Amper aufgebaut werden.
Die hierfür notwendigen hydromorphologischen (z.B. Wiederherstellung der Durchgängigkeit, Entfernung von Uferverbauungen) und naturschutzfachlichen (z.B. Schaffung von „Libellenfenstern“ und Uferaufweitungen) Maßnahmen werden von einem externen Planungsbüro in Abstimmung mit allen beteiligen Kommunen, Fachbehörden, Verbänden und Grundstückseigentümer bis zur Antragsreife vorbereitet. Anschließend können die wasserbaulichen Maßnahmen über die Kommunen, die naturschutzfachlichen Maßnahmen durch den Verein Dachauer Moos e.V., im Landkreis Dachau z.B. auch über den Landschaftspflegeverband, beantragen werden. Die Maßnahmen werden dann mit Hilfe des Projektmanagements während der Projektlaufzeit umgesetzt und mit Erfolgskontrollen und Öffentlichkeitsarbeit begleitet.
An vielen Abschnitten ist der Kalterbach von Gehölzen beschattet. Das kühle Wasser freut Fisch und Fischer, aber dieser Lebensraum ist für die seltenen Libellen ungeeignet. Bei dem Modellprojekt müssen diese gegensätzlichen Ansprüche unter einen Hut gebracht werden.
Was sich so einfach liest, ist hoch kompliziert. Die freiwilligen und unverbindlichen wasserbaulichen und naturschutzfachlichen Maßnahmen müssen nicht nur mit zahlreichen privaten und öffentlichen Grundbesitzern abgestimmt werden, sondern es müssen auch die Interessen der Fischerei, der Wasser- und Bodenverbände sowie der Landwirtschaft berücksichtigt werden. Zudem sind Umweltverbände und kommunale Ämter aktiv. Diese Verhältnisse beschränken sich nicht nur auf den Kalterbach, sondern sind auch typisch für die vielen anderen Gewässer III. Ordnung in Bayern, für die v.a. die Kommunen zuständig sind. Aufgrund der komplexen Aufgabenstellung wurde bei den meisten Bächen der nach der europäischen WRRL vorgeschriebene „gute ökologische Zustand“ noch nicht erreicht. Es besteht bayernweit dringender Handlungsbedarf!.
Einer von vier bereits renaturierten Stellen am Kalterbach. Hier befinden sich auch die Hauptvorkommen der Helm-Azurjungfer.
Zur Renaturierung der „kommunalen Bäche“ ist eine enge Zusammenarbeit und ein gemeinsames Vorgehen von Naturschutz, Wasserwirtschaft, Kommunen und allen anderen Akteuren unabdingbar. Die für eine erfolgreiche Maßnahmenumsetzung erforderlichen Handlungsabläufe und Prozesse sollen in unserem Pilotprojekt zu einem übertragbaren Modell für künftige Umsetzungsprojekte an Gewässern III. Ordnung entwickelt werden.
Der Antrag hierfür ist nun gestellt. Sehr erfreulich ist die in Aussicht gestellte Förderung des Bayerischen Naturschutzfonds für Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Erfolgskontrolle in Höhe von 85% über eine Gesamtlaufzeit von 5 Jahren. Zudem werden wir noch eine weitere 5%-ige Förderung beim Bezirk Oberbayern beantragen.
Wir sind sehr zuversichtlich, dass im Laufe des Sommers das Projekt genehmigt wird und bereits im Herbst starten kann. Aber drücken Sie uns sicherheitshalber ganz fest die Daumen.